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"Land der Berge, Land am Strome..." Im 20.Jahrhundert hat jedes Staatswesen der Welt,
aber auch zahlreiche internationale Organisationen und Gemeinschaften ein Lied,
eine Hymne, die allen Bürgern oder Mitgliedern lieb und teuer ist, die man nur
im Stehen anhört oder singt, die geehrt wird wie eine Fahne. Eine Hymne wird
bei allen offiziellen Anlässen gespielt, sie entspricht in etwa dem antiken
Hymnus an die Gottheit. Eine Hymne ist ein Preislied, ein Lobgesang, ein Lied,
das aus einem gemeinsamen Gefühl erwächst. Ein derartiges Lied trägt in
anderen Ländern Namen wie Landes- oder Nationalhymne. In Österreich heißt sie
„Bundeshymne“.
Ein Rückblick in die Geschichte Der Kaiserstaat Österreich erhielt ebenfalls in
der napoleonischen Epoche mit dem so genannten „Kaiserlied“ eine Hymne, die
in der gesamten Monarchie für alle Bürger verbindlich wurde. Der Text des
Kaiserliedes stammte von dem Dichter und „intellektuellen Parademitläufer der
Zeitumstände“ (Manfred Wagner) Lorenz Leopold Haschka (1749-1827), der
ziemlich banale, aber gefühlvolle Verse schrieb, die sich deutlich an das
britische Vorbild anlehnen. Sein poetisches Werk war eine Auftragsarbeit des
damaligen Stadthauptmannes von Wien Franz Joseph Graf Saurau (1760-1832) zur
Unterstützung des damals noch sehr schwach entwickelten Nationalgefühls, das
in Zeiten der Bedrohung durch die französischen Heere einer emotionalisierenden
Unterstützung bedurfte.
Die einfache, aber einprägsame Melodie schrieb
niemand geringerer als Joseph Haydn (1732-1809), der dieses Thema noch in seinem
„Kaiserquartett“ weiter ausführte. Dieses Nationallied erklang erstmals am
12.Februar 1797 anlässlich des Geburtstages von Kaiser Franz II. (1768-1835).
Der Kaiser drückte Haydn seine Zufriedenheit mit dieser Komposition durch das
Geschenk einer goldenen Dose mit seinem Bild aus. Staatsminister Karl Graf
Zinzendorf (1739-1813), Zeuge dieser Uraufführung, schrieb darüber wohlwollend
in sein Tagebuch: „Abend im Theater ... Ich wohnte dem Gesang der Worte von
Haschka 'Gott erhalte Franz den Kaiser unseren guten Kaiser Franz!' bei. Ohne
'Schelm
und Bubenstreich' wären die Verse gut, denn sie sind einfach. Die Musik ist
sehr einfach.“ Diese beim Volk sehr beliebte Hymne - sie wurde jeweils für
den regierenden Monarchen geringfügig adaptiert - hatte bis 1918 in Österreich
Geltung. Entsprechend den in der Doppelmonarchie amtlich anerkannten Sprachen -
es waren insgesamt vierzehn - gab es auch Übersetzungen des Kaiserliedes.
1918 - neuer Staat erhält eine neue Hymne
Das klein gewordene Österreich des Jahres 1918,
nunmehr Republik, wollte natürlich eine neue Hymne haben, die der geänderten
staatlichen Identität gerecht wurde. Staatskanzler Karl Renner (1870-1950),
auch ein vielseitiger Literat, der gerne Lyrik verfaßte, schrieb eine neue
Hymne. Gleichzeitig bat er seinen Freund, den Komponisten Wilhelm Kienzl
(1857-1941), dazu eine Melodie zu komponieren. Der Musiker berichtete darüber
in seinen Memoiren: „Da die kraftvollen, edlen, wenn auch nicht gerade volkstümlich
gehaltenen Verse sich von jedweder Parteipolitik fernhalten und nur von der
Liebe zum Vaterland sprechen, nahm ich das Angebot an und belastete mich dadurch
mit der schweren Verantwortung, die sich für mich unwillkürlich aus dem durch
die geschichtliche Entwicklung hervorgerufenen Umstand ergab, für die im
tiefsten Herzen jedes Österreichers wurzelnde, in ihrer erhabenen Volkstümlichkeit
unerreichbare unsterbliche Melodie Haydns einen 'Ersatz' schaffen zu müssen.“
Die so genannte Renner-Kienzl-Hymne („Deutschösterreich,
du herrliches Land ...“) wurde nie recht populär. Doch inzwischen hatte
Deutschland die beliebte Haydn-Melodie gleichsam usurpiert, sie allerdings mit
einem Text von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)
„Deutschland über alles ...“ unterlegt - Österreich hatte dagegen bis 1938
nie offiziell irgendeinen Einspruch erhoben. In den späten Zwanzigerjahren, als
in Österreich die Anschlußsehnsucht mancher Kreise neue Blüten trieb, holte
man wieder die Haydn-Hymne hervor, wählte dazu aber einen Text („Sei gesegnet
ohne Ende, Heimaterde wunderhold!“) des steirischen Dichters und Priesters
Ottokar Kernstock (1848-1928), der der nationalen Euphorie der Zeit offenbar
besser entsprach.
Keine der beiden Hymnen war in der Bevölkerung
verankert. Das in politische Lager polarisierte Land sang lieber Parteihymnen.
Beide Hymnen waren nach dem Zweiten Weltkrieg völlig obsolet. Die wunderschöne
Haydn-Melodie war durch das Trauma des Dritten Reiches desavouiert, Kernstocks
Text wegen anderer nationaler poetischer Ergüsse des Autors gänzlich untragbar.
An eine Wiederaufnahme der Renner-Kienzl-Hymne dachte nicht einmal der
Staatskanzler selbst, obwohl er sonst vieles aus seiner ersten großen
politischen Phase nach dem Ersten Weltkrieg nach dem Drama des Zweiten
Weltkrieges wiederholte.
Ausschreibung für eine neue Hymne
Mit 9.April 1946 startete die Bundesregierung ein
Preisausschreiben für eine neue Hymne. Es sollte ein „Lied hymnischen
Charakters [sein], das den neuen österreichischen Bundesstaat und seine
Menschen im In- und Ausland sowohl textlich als auch musikalisch würdigt.“
Auf eine neue Melodie einigte man sich schnell. Man wählte eine
Freimaurerkantate (im Köchelverzeichnis unter der Nummer K 623 a zu finden) von
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) aus dem Jahre 1791 - inzwischen wird die
Autorschaft Mozarts von Musikwissenschaftlern in erheblichen Zweifel gezogen. Für
das Preisausschreiben des Textes langten mehr als 1.800 Einreichungen ein, von
denen kaum dreißig in die engere Wahl kamen, u.a. die bedeutenden zeitgenössischen
Autoren Alexander Lernet-Holenia (1897-1976), Rudolf Henz (1897-1987) und Franz
Theodor Csokor (1885-1969). Als erster Preis war die damals doch beachtliche
Summe von öS 10.000.-- in Aussicht gestellt worden. Zusätzlich erfolgten
informelle Kontakte führender Kulturpolitiker zu anerkannten Autoren der Zeit,
um sie zur Beteiligung aufzufordern. So berichtet der Widerstandskämpfer, spätere
Journalist und Verleger Fritz Molden (* 1924), dass Unterrichtsminister Felix
Hurdes (1901-1974) Moldens Mutter, die Dichterin Paula von Preradovic
(1887-1951) - Enkelin des kroatischen Nationaldichters Petar von Preradovic
(1818-1872) - zur Teilnahme aufgefordert habe. Er bringt die damalige Meinung zu
einer neuen Hymne so zum Ausdruck: „Die alte schöne Haydn-Hymne, die alle
Revolutionen und Kriege überdauert hatte, und noch in meiner Bubenzeit mit dem
sympathischen Text von Ottokar Kernstock gesungen wurde, kam nach Meinung der
Bundesregierung leider nicht mehr in Frage. Denn nach dieser Haydn-Melodie war
auch das Deutschlandlied, die Hymne des 3.Reiches, gespielt und natürlich in
der ganzen Welt mit Hitler identifiziert und als Nazihymne aufgefaßt worden.“
Paula von Preradovic, zu dieser Zeit gerade
intensiv mit einem neuen Roman beschäftigt, war nicht recht begeistert
mitzumachen. Minister Hurdes mußte mehrmals urgieren. Schließlich erreichten
ihre einfachen, den Menschen zu Herzen gehenden Worte doch in der Jury, der
Literaten, Musiker und Politiker angehörten, die höchste Punkteanzahl. Um die
Entscheidung bestmöglich treffen zu können, rezitierte der beliebte
Schauspieler Oskar Werner (1922-1984), ein Künstler mit einer unverwechselbaren
Stimme, die Texte, die in die engere Wahl kamen. Mit Ministerratsbeschluss vom
25.Februar 1947 wurde der neue Text zu Mozarts Freimaurerkantate zur österreichischen
Volkshymne - die Bezeichnung Bundeshymne bürgerte sich erst später ein -
erklärt.
Dieser Text wurde nie in einem Bundesgesetzblatt veröffentlicht, lediglich am
22.März 1947 erstmals in der Tageszeitung „Die Presse“ abgedruckt. Am 7.März
1947 war die neue Hymne bereits im Radio erklungen. Das Lied wurde eher schnell
populär, obwohl die Melodie viel komplizierter war als die seinerzeitige
Haydn-Hymne.
Als Minister Hurdes im Ministerrat den Vortrag über
das Ergebnis des Preisausschreibens hielt, wurde auch auf Grund einer Anregung
des Bundespräsidenten der Antrag gestellt, bei künftigen
Staatsvertragsverhandlungen für Deutschland die Forderung zu erheben, „dass
Deutschland die künftige Verwendung der Haydn-Hymne als einem alten österreichischen
Kulturgut untersagt werden möge.“
1992 klagten, ermuntert durch eine international
schärfere Gesetzgebung für den Schutz des Urheberrechts, die beiden Söhne der
Dichterin Paula von Preradovic die Republik Österreich auf Tantiemenzahlungen,
die Klage wurde jedoch 1995 unter Hinweis auf die seinerzeitige Prämie von öS
10.000.-- abgelehnt.
Der Text der Bundeshymne lautet:
„Land der Berge, Land am Strome, Heiß umfehdet, wild umstritten, Mutig in die neuen Zeiten |
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Copyright: Ing.
Wilfred Kopper, D-91056 Erlangen, Dreibergstraße 2
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